31. Oktober 2016

Monat Oktober

Der Monatsrückblick ist dazu gedacht, das ganze Projekt "Ein Jahr ohne Neukäufe" in regelmäßigen Abständen zu hinterfragen. Dazu sind mir im Oktober insbesondere bei der Lektüre von "Ich kauf nix!", in dem die Österreicherin Nunu Kaller von ihrer einjährigen Shoppingdiät berichtet (hier geht’s zu ihrem Blog, aber ich empfehle trotzdem das Buch) sehr viele neue Gedanken gekommen
>> Achtung, wird länger heute! ;-) <<
Besitz belastet. Ich habe genug, ich habe ehrlich sogar zu viel, viel zu viel. Glaubt aber bloß nicht, dass ich so naiv bin und dieses Privileg als gegeben ansehe. Ich kaufe dieses Jahr nichts, und zwar weil ich es mir leisten kann. Da spreche ich aus Sicht einer Westeuropäerin, die im Vergleich zu 90% der Weltbevölkerung stinkreich ist, das möchte ich immer wieder betonen.
Ich würde (Achtung, volle Ladung Klischees und Strereotypisierung) einer alleinerziehenden Mutter, die sich und ihre drei kleinen Kinder mit zwei schlecht bezahlten Nebenjobs über Wasser zu halten versucht natürlich niemals vorhalten, dass sie 5€-Jeans beim Discounter kauft. Die hat wahrlich andere Sorgen als sich Gedanken über die Produktionsbedingungen ihrer Kleidung zu machen. Dann gibt es Menschen, die können sich nichtmal die Billigklamotten vom Discounter leisten und sind gänzlich auf Spenden angewiesen. Bei denen sind Second Hand und Vintage keine Stilfrage, sondern die einzige Möglichkeit, um sich im Winter warmzuhalten oder überhaupt etwas am Körper zu tragen.
Aber, und hier zitiere ich Nunu, weil sie mir aus der Seele spricht: "Ich kann (eben) nur aus meiner eigenen Welt und aus meiner persönlichen Perspektive handeln. Und meine Perspektive ist nun mal die des reichen Westens. Das Blöde ist halt, dass unser westliches Luxusproblem leider ganz gewaltig dazu beiträgt, dass Menschen in anderen Ländern ganz reale und ganz und gar nicht luxuriöse Probleme haben."

Nach allem, was ich in diesem Jahr (und auch schon im letzten, sonst wäre es wohl gar nicht erst zu meinem Vorsatz gekommen) über unfaire Produktionsbedingungen, lächerlich geringe Löhne, gefährliche Chemikalien, besorgniserregende Umwelteinflüsse und  emissionslastige Transportwege in Erfahrung gebracht habe, kann ich nicht einfach zu alten Gewohnheiten zurückkehren. Auch die Folgen des Verpackungsmülls auf unsere Umwelt, vor allem in Form von Mikroplastik auf unsere Meere, bereiten mir Bauchschmerzen. Das Wissen darüber lässt sich nicht einfach so verdrängen.
Trotzdem muss ich mir, um nicht völlig verrückt zu werden, eingestehen, dass ich, Anna Schmidt, das alles nicht von heute auf morgen ändern kann. Aber ich kann sagen: "Hey, ich mach in diesem Zirkus aus Modetrends, neuen hippen Labels und 'must haves' nicht mehr mit!". Das ist mein kleiner Beitrag zum Ganzen. Und indem ich davon hier berichte, kann ich dazu beitragen, dass auch andere Menschen anfangen sich Gedanken zu machen, wo ihre Kleidung herkommt und wie sie produziert wurde. Und wenn dann am Ende jeder einen kleinen Teil zum ganzen beiträgt, ist das insgesamt schon ein erheblich größerer Teil. ;-)
Mich hat in Nunus Buch die Geschichte einer Gewerkschaftspräsidentin aus Bangladesch berührt. Diese Frau hat unter schlimmsten Bedingungen in den dortigen Fabriken gearbeitet. Dennoch sprach sie sich gegen ein Boykott von H&M & Co. aus, denn wenn keine Waren mehr verkauft würden, hätten sie und ihre KollegInnen in Bangladesch noch schlechter. Arbeit sei immer noch besser als keine Arbeit. Klingt paradox, wenn man sich die Arbeitsbedingungen dort anschaut. Deshalb geht ihre Rede auch noch weiter: "Helft uns dabei, im Kampf für die NäherInnen bessere Sicherheitszustände und faire Löhne zu erreichen". Wir reichen EuropäerInnen sollen uns also – in welcher Form auch immer – engagieren. Clean Clothes Campaign oder Greenpeace mit der Detox-Kampagne haben schon eine Menge erreicht, sind aber bei Petitionen und Demonstrationen nach wie vor auf die Unterstützung der KonsumentInnen angewiesen.

Wobei ich an dieser Stelle mal etwas klarstellen möchte. H&M muss bei mir immer als Sündenbock herhalten, vermutlich weil das einfach der Laden ist, der bei den Leuten in meiner Altersgruppe (plus/minus) am sichtbarsten ist. Aber nur weil ein T-Shirt bei einer anderen Marke 40€ kostet, heißt das noch lange nicht, dass dort die Produktionsbedingungen besser und die Löhne der NäherInnen fairer sind. Diese Marken haben einfach eine sehr viel höhere Gewinnspanne, die schlauen Füchse! Produziert wird in denselben Fabriken, in denen auch für Discounter oder eben H&M produziert wird. Das hat der Einsturz des Rana Plaza 2013 ans Licht gebracht und damit vielen – z.T. ahnungslosen - Unternehmen vor den kopf gestoßen. Geändert hat sich seitdem übrigens trotzdem nicht viel.
Nur wenn auf den Klamotten dezidiert etwas von "fair" steht, kann man davon ausgehen, dass sie unter sozial verträglicheren Arbeitsbedingungen produziert wurden. Viel Spaß beim der Suche nach solchen Hinweisen auf Kleidung in den deutschen Innenstädten...

So, genug gepredigt. Womit ich bei einem weiteren Punkt bin, über den Nunu schreibt und der auch mich beschäftigt. Wie missionarisch bin ich eigentlich mit meinem Vorsatz und insbesondere mit meinem Blog? Ich versuche immer zu betonen, dass es auf diesem Blog um meine persönlichen Eindrücke und Erfahrungen geht. Niemand sollte ein schlechtes Gewissen haben, wenn er/sie mir in nagelneuen Klamotten gegenübersteht oder mir vom letzten Shoppingtrip berichtet. Ich habe mich gegen diesen Konsum entschieden, aber ich erwarte nicht, dass alle meine Freundinnen und Freunde plötzlich auch komplett auf’s Einkaufen verzichten! Nur damit Ihr's wisst. <3
Das war's dann auch schon. Wie gesagt, lest das Buch! Es gibt viele Parallelen zwischen Nunus und meinen Erlebnissen, aber durchaus auch Unterschiede. Ich verleihe das Buch gerne, sagt einfach Bescheid. :)

3 Kommentare:

  1. Danke dir für einen weiteren tollen Beitrag und den Lesetipp. Ich werde ihm nachkommen. ;) Bei mir hast du schon viel bewirkt. Einiges, was ich auch inzwischen so mache und Neues, was durch eigene Denkprozesse entstanden ist. Ich bin mal so mutig zu sagen, dass du die Menschen, wie viele auch immer, mit diesem Blog und deiner Haltung, die du (danke, danke, danke) auch nach außen trägst, erreichst.
    Ich freue mich auf weitere wunderbare, bereichernde Beitrage. :)

    PS: Bzgl. Minimalismus habe ich das Buch "Stadt,Land, Überfluss" gelesen. Mir hat es sehr gut gefallen und zu weiteren Veränderungen angeregt.

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  2. Oh Andrea, danke, das freut mich echt zu lesen und ermutigt mich weiterzumachen. :)
    Das würde ich sagen tauschen wir demnächst mal die Bücher, was? Ich bin Anfang Dezember kurz zu Hause. ;-)

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  3. Büchertausch klingt gut. Das machen wir. ;) Dann treffen wir uns Anfang Dezember. :)

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